Heimat- und Museumsverein Zwenkau und Umgebung e.V.

Schützenhaus

Gaststätte "Schützenhaus“ - vom Ausstellungspavillon zur Zwenkauer Traditionsgaststätte


Werfen wir doch mal einen Blick zurück in das Jahr 1897. Was war bemerkenswert in jenem Jahr? In Brüssel fand die 12. Weltausstellung statt. In Augsburg nahm Rudolf Diesel seinen ersten funktionsfähigen Dieselmotor in Betrieb. In Wien wurde das Riesenrad im Prater übergeben. Das erste benzingetriebene Taxi mit Taxometer fuhr in Stuttgart. Und Ferdinand Braun präsentiert in Straßburg seine “Braun‘sche Röhre“, ein entscheidender Schritt in die Welt des späteren Fernsehens.


Das deutsche Reich war eine föderale Erbmonarchie und “Staatsoberhaupt“ war Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen von 1888 bis 1918. Wir befanden uns im Wilhelminischen Zeitalter. In Deutschland fand eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung statt, was mit einem starken Bevölkerungszuwachs einherging. Das Deutsche Reich hatte 1871 etwa 41 Mio Einwohner und 1910 bereits fast 65 Mio.


Auch Leipzig erlebte einen rasanten Aufschwung. Die Einwohnerzahl wuchs von 107.000 im Jahre 1871 auf fast 460.000 im Jahre 1900, allerdings incl. Eingemeindungen. Leipzig wurde Eisenbahnknotenpunkt und die Umstellung des Straßenbahnnetzes auf Elektrobetrieb wurde 1897 abgeschlossen.


1897 beging Leipzig auch den 400. Jahrestag der Verleihung des Messeprivilegs für Leipzig als Reichsmesse durch den Römisch-deutschen König und Kaiser Maximilian I. aus dem Jahre 1497. Maximilian hatte dieses Privileg 1507 noch einmal bekräftigt und durch das kaiserliche Stapelprivileg ergänzt. Nunmehr war es untersagt, im Umkreis von 15 Meilen (115 Kilometer) in den Bistümern Magdeburg, Halberstadt, Meißen, Merseburg und Naumburg Messen oder neue Jahrmärkte zu errichten. “Verschärfend“ kam hinzu, dass es fortan nur in Leipzig erlaubt war, Warenlager zu unterhalten. Bereits bestehende Zwischenlager an anderen Orten sollten aufgelöst werden. Auch das Umfahren der Stadt war untersagt. Die Händler hatten vorgeschriebene "Geleitsstraßen" zu nutzen - die natürlich durch Leipzig führten, wo jeder Auswärtige seine Ware wiegen lassen, verzollen und mindestens drei Tage lang zum Verkauf anbieten musste.


Im Jahre 1895 war man in der “Reichsmessestadt“ von den bis dahin typischen Warenmessen zur Mustermesse übergegangen. Leipzig gilt als “Erfinder“ der Mustermesse und ab 1901 begann man, in der Leipziger Innenstadt Messepaläste zu errichten. Auch Berlin beabsichtigte, Mustermessen abzuhalten und hatte bereits 1896 eine große Gewerbeschau vorausgeschickt. Deshalb wollte man von Leipzig aus der Konkurrenz in der Hauptstadt die Leistungsfähigkeit des sächsisch-thüringischen Wirtschaftsraumes mit einer eigenen Schau demonstrieren, der „Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung“, die dann vom 24. April bis zum 19. Oktober 1897 stattfand.


Für die Ausstellung hatten sich mit Thüringen und Sachsen zwei durchaus unterschiedliche Partner zusammengetan. Während Sachsen gegen Ende des 19. Jh. als einheitliches Königreich auftrat, war Thüringen zu dieser Zeit noch in etwa acht Teilstaaten zersplittert. Noch 1890 gab es 15 verschiedene Gesellschaften, die allein im größten Einzelstaat Thüringens, dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, das Eisenbahnnetz betrieben. Dennoch gab es insbesondere in Ostthüringen eine starke industrielle Entwicklung.


Der 1873 ernannte König Albert von Sachsen übernahm die Schirmherrschaft der Leipziger Ausstellung. Das Ausstellungsgelände erstreckte sich über 40 Hektar westlich des Musikviertels zu beiden Seiten der heutigen Anton-Bruckner-Allee (damals König-Albert-Allee) und die Schau präsentierte die damalige wirtschaftliche und wissenschaftlich-technischen Leistungsfähigkeit der Region. Darüber hinaus wurden auch umfassende Einblicke in das zeitgenössige künstlerische Schaffen geboten. Vielfältige Unterhaltungsmöglichkeiten rundeten das Angebot für die Besucher ab.


Historische Leipziger Gebäude ließ man ihrer Gestalt aus dem Mittelalter in Originalgröße wiedererstehen, darunter das Alte Rathaus, Auerbachs Hof und den Naschmarkt. Darüber hinaus konnte man durch ein “Thüringer Dorf“ mit Kirche, Mühle, Gasthof und Bauernhöfen wandern. Eine "Kolonialausstellung" zeigte Nachbauten einer Handelsstraße aus dem tansanischen Daressalam (bis 1974 offizielle Hauptstadt des Landes) und einer afrikanischen Eingeborenensiedlung. Dazu hatte man eigens 50 Angehörige eines Bantu-Volkes aus Afrika nach Leipzig geholt. Auf der Insel im heutigen “Inselteich“ des Clara-Zetkin-Parks sprudelte eine farbig beleuchtete Wasserfontäne. Um den Teich waren das Hauptrestaurant, das Hauptcafé (Wiener Café) und das Kneipenviertel angeordnet, dazu ein eigenes Theater und ein Vergnügungsviertel mit Rummelplatz. Im Kneipenviertel stand auch das “Kaffeehaus zum Rothenburger Erker“, auf das wir noch zurückkommen werden.


Insgesamt sahen 4,2 Millionen Besucher die imposante Schau. Von der Bebauung des Geländes in Leipzig ist heute nichts mehr zu sehen, denn alle Bauten wurden abgetragen. Das Ausstellungsgelände wurde 1899 zum "König-Albert-Park" umgestaltet, der seit 1957 ein Teil des Clara-Zetkin-Parks ist. Aus dem Bauschutt formte man zwei Hügel, die "Große Warze" und die "Kleine Warze" nahe der o.g. Flutbettbrücke, die den Leipziger Kindern heute als Rodelhügel dienen.


Gibt es vielleicht noch “Erinnerungsstücke“ an die Ausstellung? Ja, die gibt es! Im Kneipenviertel stand die Gaststätte “Blockhaus“ der Leipziger Brauerei F.A. Ullrich. Das Blockhaus wurde nach Ausstellungsende als Gartenlokal in den Kleingartenverein “Westvorstädtischer Schreberverein zu Leipzig- Kleinzschocher “ an der Diezmannstraße umgesetzt. Bis heute wird das Haus noch vom Gartenvorstand genutzt und seit 1934 heißt der Kleingartenverein “Blockhaus“.


Eine Spurensuche führt auch gleich zweifach nach Zwenkau. Die “Dampfbrauerei Zwenkau“ bewirtschaftete auf der Ausstellung einen Schankpavillon, wo “Zwenkauer Zukunftsbier“ ausgeschenkt wurde. Die Zwenkauer Gaststätte “Sommerlust“ (heute Restaurant “Korfu“) erwarb den Pavillon und stellte ihn als Automatenhalle im Gartenbereich wieder auf. Er wurde 1930 abgerissen.


Das “Kaffeehaus zum Rothenburger Erker“ erwarb der Zwenkauer Schützenverein und noch heute steht es als beliebte Gaststätte “Schützenhaus“ in idyllischer Lage am Rande des Eichholzes am früheren “Schützenplatz“. Es ist interessant, die Vorgeschichte dieses Hauses zurückzuverfolgen. Die Wurzeln unseres Schützenhauses reichen bis ins Nürnberg des Jahres 1896 zurück. In jenem Jahr richtete die Dürerstadt vom 14. Mai bis zum 15. Oktober die zweite Bayerische Landes-; Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung aus. Im Gegensatz zur Bayerischen Landesschau, die insgesamt dreimal in Nürnberg ausgerichtet wurde, blieb die Leipziger Schau eine einmalige Angelegenheit.


Handwerker aus Rothenburg ob der Tauber schufen für diese Landesschau einen Schmuckerker, der typischen Erkern ihrer fränkischen Heimatstadt nachempfunden war. Präsentiert wurde er am Pavillon der Nürnberger Bäckerinnung, welcher neben einer Schaubäckerei im Erdgeschoss auch das Café “Zum Rothenburger Erker“ im Obergeschoss beherbergte. Nach Ausstellungsende kaufte die Fa. Kathreiner – die in der Welt des Kaffees bis heute ein Begriff ist - das Haus.


Als am 24. April 1897 in Leipzig die Sächsisch-Thüringische Gewerbeausstellung eröffnet wurde, konnte man eine nahezu baugleiche Kopie des “Kaffeehauses zum Rothenburger Erker“ im Kneipenviertel um den “Inselteich“ wiederentdecken – der Erker am Haus aber war das Original aus Nürnberg. Übrigens, das Kaffeehaus in Nürnberg und später in Leipzig muss einige begüterte Bauherren so entzückt haben, dass sie sich fast spontan eigene “Rothenburger Erker“ errichten ließen. Es sind mindestens drei weitere Gebäude unter diesem Namen bekannt, die alle zeitnah zu den großen Landesausstellungen errichtet wurden. Während die “Villa Edel“ in Bamberg (Privatbesitz) von 1897 eine recht originalgetreue Kopie des Vorbildes ist, reichte zwei weiteren Bauherren in Leipzig-Kleinzschocher und in Naunhof offensichtlich die Verwendung des populären Namens aus. Baulich schufen sie völlig eigenständige Gebäude. Das Haus in Leipzig wurde leider im Krieg zerstört, der “Rothenburger Erker“ in Naunhof (die Bezeichnung findet man bis heute am Gebäude) beherbergt heute das griechische Restaurant “Korfu“.


Der 1870 gegründete Zwenkauer Schützenverein ließ sich 1878 mit dem Bau einer “Schießhalle“ im Bereich des Eingangs des heutigen Waldbades nieder. Nach anfänglicher Verpachtung übernahm der Verein 1883 die Halle selbst, die von den Zwenkauern bald “Schützenhaus“ genannt wurde. 1886/87 entstand im Bereich der heutigen Tennishalle ein massiverer “Salon“. Als nach dem Ende der großen Leipziger Länderschau diverse Ausstellungsgebäude zum “Abbruchpreis“ abgegeben wurden, schlug der Schützenverein zu und kaufte das bekannte Kaffeehaus. Den Originalerker sparte man beim Kauf, vermutlich aus Kostengründen, leider aus und ersetzte ihn später durch eine originalgetreue Kopie, die der Zwenkauer Zimmermeister Waldschlägel angefertigt hatte. Über den Verbleib des Originalerkers ist bis dato nichts bekannt.


Umsetzung und Wiederaufbau des Fachwerkhauses nahmen weniger als ein Jahr in Anspruch, schon 1898 wurde die neue Gaststätte am Schützenplatz eröffnet. Gegenüber seinem Nürnberger Vorgänger war das Haus in Zwenkau nun deutlich vergrößert und verändert worden. Um 1900 ging der Begriff “Schützenhaus“ auf das ehemalige Kaffeehaus über, mit dessen werbewirksamer Bewirtschaftung sich Schützenverein und Stadt eine hohe Anziehungskraft insbesondere für Gäste aus Leipzig erhofften.


In den folgenden Jahrzehnten war das Gebäude Vereinshaus, Gaststätte und auch politischer Versammlungsort. Im Laufe der Zeit wurde das äußere Erscheinungsbild des Hauses dem Zeitgeist folgend “vereinfacht“. Im 2. Weltkrieg wurden im Hause Fremdarbeiter für kriegswichtige Zwenkauer Firmen untergebracht, nach 1945 beherbergte es einen FDJ-Jugendklub mit bis zu 130 Mitgliedern, aus dem heraus 1961 ein Fotoklub und ab 1964 das “Amateurfilmstudio Zwenkau“ entstand, welches das Haus über die folgenden 25 Jahre nutzte und technisch sowie künstlerisch ein sehr anspruchsvolles Niveau erreichte. Leider war ein Fortbestand dieser Erfolgsgeschichte nach 1990 so nicht mehr möglich, aber ehemalige Mitglieder des Filmklubs setzen seit 1991 bis heute im Zwenkauer “Kultur- und Bildungsverein“ ihre gemeinsame Arbeit fort.


Ab 1995 startete die Generalsanierung des Schützenhauses und der Anbau einer Tennishalle. Dabei beseitigte man auch die vor 1945 entstandene räumliche Zersplitterung im Inneren des Gebäudes. Ab November 1996 wurde das Schützenhaus wieder als Gaststätte eröffnet. Kurze Zeit stand das Haus unter der Leitung des Leipziger Gosenwirtes Dr. Hennebach, im Sommer 1997 übernahm Gert Saupe aus Leipzig den Betrieb und seit September 2007 nach einer Renovierung betrieb Inhaber Matthias Reinhardt, ebenfalls aus Leipzig, die beliebte Gaststätte nun unter dem Namen “Reinhardt’s im Schützenhaus“ bis zum 17. März 2013. Nach einigen Monaten mit unklarer Perspektive und nur sporadischen Öffnungszeiten übernahm Kay Valtin, vormaliger Betreiber der Gaststätte “Waldesgrün“, Anfang September 2013 das Haus, dessen inneres Erscheinungsbild zuvor mit einer eher “sanften Kosmetik“ wieder in die Mitte der 1990er Jahre zurückversetzt worden war.


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